Tutorial - "Chippen" von alten Objektiven
Ältere Objektive haben den Nachteil, dass sie nicht auf elektronischem Weg mit der Kamera kommunizieren können. Dadurch entfallen bei den Aufnahmen die Übertragung von Exif-Bildinformationen bez. verwendeter Blende und Objektivdaten.

Weiterhin kann die Blende nicht direkt durch die Kamera gesteuert werden, sondern muss über den Blendenring am Objektiv manuell eingestellt werden. Dies verhindert die Verwendung der A-, S- oder P-Modi.
Die höherpreisigen Nikon-Kameras erlauben es, im Menü "Non-CPU-Data" bestimmte Objektivdaten (Brennweite, Offenblende) einzutragen. Hierdurch werden zumindest die rudimentären Objektivdaten in die Exif-Daten des Bildes übernommen. Consumer-Kameras (Nikon D3xxx, D5xxx, D80 etc.) besitzen diese Funktion nicht. Die Blende wird manuell am Objektiv eingestellt.
Mithilfe eines sogenannten "Dandelion"-Chips kann man allerdings sein altes manuelles Nikon-Objektiv zu einem "halbautomatischen" Objektiv aufrüsten. Es verhält sich dann an der Kamera exakt wie ein modernes AF-S-Objektiv - und kann auch an preiswerteren Consumer-Kameras verwendet werden. Die Steuerung der Blende erfolgt über die Kamera und die Aufnahmemodi "A", "S" und "P" sind nutzbar. Weiterhin ermöglicht der Chip, einen evtl. vorhandenen Fehlfokus (Frontfocus/Backfocus) zu korrigieren.
Das ganze funktioniert auch mit alten Canon-Objektiven, hier muss sich der geneigte Canon-Knipser jedoch selbst schlau machen
Der einzige tatsächliche Nachteil gegenüber AF-S-Objektiven ist der fehlende Autofokus.
"Gechippt" werden können so ziemlich alle Objektive (auch ganz alte Linsen mit "AI-Mod"). Bei einigen älteren Objektiven vor der AI-S-Baureihe (siehe Alte Objektive) kann es eventuell zu Fehlbelichtungen bei der Blendensteuerung durch die Kamera kommen. Sollte dies bei Ihrem Objektiv der Fall sein, muss bei der Programmierung des Chips die Blendensteuerung an das Objektiv übertragen werden. - Geht aber auch!
Eine Übersicht der "chipbaren" Objektive finden Sie hier.
Bezugsquellen
Meine "Dandelion-Chips" habe ich per Ebay in Fernost bzw. der Ukraine erworben. - Einfach "Dandelion Nikon" (oder "Canon") in die Suchfunktion eingeben). Die Chips kosten ca. 25 USD inkl. Versand und liegen nach etwa 10 Tagen in Ihrem Briefkasten.
Weiterhin kann der Chip auch bei Direktanbietern wie filmprocess.ru direkt bestellt werden.
Installation
Die Installation ist keine große Aktion: Wenn Sie Glück haben, kann der Chip an Ihrem Objektiv einfach nur angeklebt werden (Aufwand: ca. 5 min). Wenn nicht, muss am Blendenring eine Aussparung eingefräst bzw. gefeilt werden (Aufwand: ca. 30 min). Eine (relativ komplette) Übersicht der Upgrade-Möglichkeiten alter Nikon-Objektive habe ich hier zusammengestellt.
Keine Angst vor der evtl. erforderlichen Fräs- bzw. Feil-Aktion, sie benötigen lediglich eine feine eckige Feile oder einen Dremel. Ich persönlich bevorzuge die Feile.
Markieren Sie (ggf. mithilfe der Plastik-Lehre) zunächst den zu entfernenden Bereich auf dem inneren Blendenring (schwarz).
Entfernen Sie nun mit einem kleinen (Kreuzschlitz-) Schraubenzieher die winzigen Schräubchen (normalerweise 3 Stück).
Jetzt können Sie den inneren Blendenring einfach nach oben rausziehen und das markierte Stück mit einer rechteckigen Feile oder einem Dremel wegfeilen bzw. -fräsen.
Säubern Sie nun den inneren Blendenring und prüfen Sie, ob der Chip problemlos in die Lücke passt - links und rechts dürfen ruhig 1-2 mm Platz bleiben.
Abschließend schrauben Sie den inneren Blendenring wieder auf das Objektiv.
Alles, was Sie zur Installation des Chips benötigen:
etwas Kleber (z.B. Pattex Repair) - Vermeiden Sie die Verwendung von Sekundenkleber. Wenn Sie den Chip falsch angeklebt haben, kriegen Sie ihn kaum noch ohne Beschädigung wieder ab.
ein feines Cutter-Messer, um den Chip wieder zu entfernen, sollte er falsch sitzen
etwas Alkohol (z.B. Isopropanol), um Klebereste etc. zu entfernen
Jetzt einen winzigen Klecks Kleber auf den Chip verstreichen, sorgfältig positionieren und ca. 2-3 Stunden warten, bis der Kleber weitgehend ausgehärtet ist.
Wenn Sie das gechippte Objektiv das erste Mal an Ihre Kamera schrauben, achten Sie darauf, dies nicht mit Kraftaufwand zu tun. Das Objektiv sollte sich genau wie ohne Chip auf Anhieb leicht einschrauben lassen. Ist das nicht der Fall, stehen wahrscheinlich die Kontaktnippel des Chips zu weit raus. - Die Kontaktnippel halten nicht viel aus und brechen (bei Gewaltanwendung) sofort aus dem Chip, den Sie dann wegwerfen können.
In dem Fall, dass das Objektiv nicht problemlos "eingleitet", entfernen Sie den Chip einfach wieder vom Objektiv und bringen ihn neu an.
Eine sehr ausführliche Anleitung (mit weitergehenden Erläuterungen) finden Sie hier.
Programmierung des Chips
Die Programmierung erfolgt mit der Kamera (wobei es bei mir mit der kleinen D3300 einfacher fällt als mit der "großen" D750). Sollten Sie nicht auf Anhieb in den Programmiermodus kommen, versuchen Sie es einige Male. Gelingt es dann immer noch nicht, hat der Chip wahrscheinlich keinen Kontakt zur Kamera und muss entfernt und neu angebracht werden.
Initialisierung
In den Programmiermodus gelangen Sie folgendermaßen:
Stellen Sie die Verschlusszeit auf 1" (1 Sekunde) und den Aufnahmemodus auf "M", danach Kamera aus- und wieder einschalten.
1x auslösen (bei 1")
Halten Sie ab jetzt den Auslöser ständig halb durchgedrückt!
Verschlusszeit auf 5" (5 Sekunden) stellen, 1x auslösen
Verschlusszeit wieder auf 1" (1 Sekunde) stellen, 1x auslösen
Jetzt sollte bei der Blendeninfo im Sucher eine wechselnde Sequenz angezeigt werden (2.8 - 4.5 - 5.6 - 10 - 20 - 40 - 60 - 90). Das sind die einzelnen Programmpunkte, die eingestellt werden können.
Die Herausforderung besteht darin, dass Sie die ganze Zeit über den Auslöser halb durchgedrückt lassen müssen. Wenn Sie versehentlich zwischendurch auslösen oder loslassen: Einfach die Belichtungszeit wieder auf 1" stellen, Kamera aus- und wieder einschalten und von neuem beginnen.
Sollte es mit 5 Sekunden nicht funktionieren, probieren Sie es mit 6 Sekunden. Das liegt daran, dass unterschiedliche Chip-Versionen im Umlauf sind.
Programmmodi
Die für die grundsätzliche Programmierung erforderlichen Programmpunkte sind mit einem "*" gekennzeichnet:
2.8 - maximale Offenblende (*)
4.5 - Brennweite (*)
5.6 - Fokussperre (Auslösung nur möglich, wenn scharfgestellt, Standard: aus)
10 - Fokusjustierung (nach vorne, nähere Infos hier)
20 - Fokusjustierung (nach hinten, nähere Infos hier)
40 - minimale Blende (*)
60 - Blendenkontrolle entweder über Kamera oder über Objektiv, Standard: Blendenkontrolle über Kamera.
90 - Reset
Programmierung
Lassen Sie die Sequenz nach der Initialisierung durchlaufen und lösen Sie bei der Anzeige der entsprechenden "Blende" 1x aus.
2.8 - maximale Offenblende
Initialisierung
Sobald in der Sequenz 2.8 erscheint, 1x auslösen
Nun werden die unterschiedlichen Blendenwerte jeweils 2 Sekunden lang angezeigt, sobald die passende Blende (z.B. 1.8) angezeigt wird, 1x auslösen
Kamera ausschalten
4.5 - Brennweite
Wählen Sie zunächst den zu Ihrem Objektiv passenden Blendenwert anhand der folgenden Tabelle aus (z.B. 14 für die Brennweite 135 mm):
Blende |
mm |
Blende |
mm |
Blende |
mm |
Blende |
mm |
Blende |
mm |
Blende |
mm |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1.0 |
5 |
2.2 |
22 |
4.8 |
52 |
9.5 |
100 |
21 |
210 |
43 |
420 |
1.1 |
7 |
2.4 |
24 |
5.0 |
55 |
10 |
105 |
22 |
220 |
45 |
450 |
1.2 |
8 |
2.5 |
25 |
5.3 |
58 |
11 |
110 |
24 |
240 |
51 |
500 |
1.3 |
10 |
2.7 |
28 |
5.6 |
60 |
12 |
120 |
25 |
250 |
54 |
550 |
1.4 |
12 |
2.8 |
30 |
6.0 |
65 |
13 |
130 |
27 |
260 |
57 |
600 |
1.5 |
14 |
3.0 |
32 |
6.3 |
68 |
14 |
135 |
29 |
270 |
60 |
650 |
1.6 |
15 |
3.2 |
35 |
6.7 |
70 |
15 |
140 |
30 |
280 |
64 |
700 |
1.7 |
17 |
3.5 |
40 |
7.1 |
75 |
16 |
150 |
32 |
300 |
68 |
800 |
1.8 |
18 |
3.8 |
42 |
7.6 |
80 |
17 |
160 |
34 |
320 |
72 |
900 |
1.9 |
19 |
4.0 |
45 |
8.0 |
85 |
18 |
180 |
36 |
350 | ||
2.0 |
20 |
4.2 |
48 |
8.5 |
90 |
19 |
190 |
38 |
380 | ||
2.1 |
21 |
4.5 |
50 |
9.0 |
95 |
20 |
200 |
40 |
400 |
Initialisierung
Sobald in der Sequenz 4.5 erscheint, 1x auslösen
Nun werden verschiedene Blendenwerte jeweils 2 Sekunden angezeigt. Wird der zu Ihrem Objektiv passende Blendenwert (also im Beispiel 14) angezeigt, 1x auslösen
Kamera ausschalten
40 - minimale Blende
Initialisierung
Sobald in der Sequenz 40 erscheint, 1x auslösen
Nun werden die unterschiedlichen Blendenwerte jeweils 2 Sekunden lang angezeigt, sobald die passende Minimalblende (z.B. 22) angezeigt wird, 1x auslösen
Kamera ausschalten
90 - Reset
Sollten Sie sich bei einer Einstellung vertan haben, können Sie den Chip jederzeit mit dieser Programmoption auf seine Standardwerte zurücksetzen.
Initialisierung
Sobald in der Sequenz 90 erscheint, 1x auslösen
Kamera ausschalten
60 - Blendenkontrolle über Kamera/Objektiv
Wenn Sie diese Option setzen, wird die Blendensteuerung von der Kamera an das Objektiv (bzw. seinen Blendenring) übertragen bzw. umgekehrt. Dies ist nur notwendig bei Pre-AI- und AI-Objektiven, die bei der Blendensteuerung über die Kamera Fehlbelichtungen aufweisen, nähere Infos hier.
Initialisierung
Sobald in der Sequenz 60 erscheint, 1x auslösen
Kamera ausschalten
Wählen Sie diese Option nur, wenn Sie sie unbedingt benötigen. Bei einigen Kameramodellen lässt sich der Programmiermodus nicht mehr aufrufen, sobald die Programmoption "60" gesetzt wurde. Das war bei meiner D750 der Fall, meine kleine D3300 zeigte sich hier nicht so zickig.